Phänomenologische Betrachtungen der Biographie (über die Arbeit des Familienstellens)
Gehen wir von der Prämisse aus, der Mensch ist zur Freiheit veranlagt, kann er jederzeit sein Leben ändern; das bedeutet, er kann die Verhältnisse, Einstellungen und Lebensbedingungen ändern. Auf dieser Grundlage möchten wir eine Charakterisierung und Eingrenzung der Phänomene darlegen, welche beim Familienstellen auftreten. Unsere besondere Art der Arbeit zielt darauf ab, der Liebe und der Wahrheit zu dienen.
Dieses Ideal kann sich verwirklichen, in dem Achtsamkeit, gegenseitige Würdigung und Wohlwollen in der Gruppe herrschen, unter Einbeziehung aller nicht anwesenden Beteiligten (z.B. Familienangehörigen)
Jeder Mensch lebt in unterschiedlichen Beziehungssystemen. Aufgrund der naturgegebenen Unvollkommenheit der Einzelnen kommt es in diesen Systemen — auch über Generationen hinweg — zu Verwicklungen.
Die Verwicklungen erschweren und behindern die Verwirklichung des Lebens und schränken die individuelle Entwicklung und die Lebensqualität stark ein. Die unterschiedliche Ausprägung dieser Verwicklung hängt ab von der Grundkonstitution des Einzelnen und den Geschehnissen innerhalb der Systeme. Die individuelle Entwicklung wird entsprechend gefördert oder gehemmt.
Das Familienstellen ist eine Möglichkeit, im Rahmen eines Gruppenprozesses Verwicklungen oder Knoten zu lösen; dabei handelt es sich mal um Seemanns- und mal um gordische Knoten. Um diese Verwicklungen aufzulösen, ist sowohl die Aufstellung selbst, als auch die Teilnahme am Gruppenprozess hilfreich.
Das Aufstellen kann als eine Art Weichenstellung und Neuorientierung verstanden werden, wobei wir in erster Linie auf die Ressourcen und mögliche Lösungen achten. Dabei tritt das Problem in seiner Bedeutung in den Hintergrund. Es dient lediglich als Motivation für den nächsten Lösungsschritt.
Oftmals hat die Lösung wider die Erwartung der Betroffenen etwas Leichtes und Heiteres. Dann ist es für die Aufstellenden oft schwierig, die Lösung überhaupt anzunehmen, besonders, wenn sie bisher sehr problemorientiert gedacht und gelebt haben.
Erfahrungsgemäß hat eine Aufstellung immer eine lange Nachwirkung, umso mehr sie vorbehaltlos angenommen wird. Voraussetzung ist dabei nicht die unkritische Annahme, sondern ein Verzicht auf bisher gehegte Vorurteile und eine Fortführung der phänomenologischen Betrachtungen des Prozesses “danach”.
Lebendige Prozesse sind nicht den Gesetzen menschlicher Logik unterworfen, sondern wirken oft irrational und unverständlich. Deshalb tut man gut daran, sich im Umgang mit der Aufstellung im Staunen und Wundern zu üben.